Waldszenen

Der Wald als Sehnsuchtsort, wo Unberührtheit und die Geheimnisse der Natur entdeckt werden können, inspiriert Kunstschaffende seit Menschengedenken. Der Wald ist immer auch ein Refugium: Weg vom Lärm unserer Zeit, einmal durchatmen und sich tiefentspannt auf den nächsten Schritt konzentrieren.

Diese Szenerie dient der Malerin Christa Mayrhofer als Anregung für Ihre grossformatige Bilderserie. Schon das mächtige Format der Bilder, nämlich: 120x160cm, spiegelt die Wucht, mit der die Künstlerin von der Natur überwältigt wird. Diese Einnahme durch die Natur betont die Malerin durch ebendiese Wahl des Grossformats. Ihre Waldbilder muten teilweise fotorealistisch an: Das Spiel zwischen Ferne und Nähe gewinnt an Spannung, lässt sich der Betrachter auf das Bild ein. Von Nahem ist die Malerei Mayrhofers eine abstrakte Komposition von Formen, Linien und Farben. Aus ein paar Metern Entfernung steht oder liegt man als Betrachter mitten im Wald und sieht sich die Baumkronen an. Stille, Gerüche und Naturgeräusche umarmen einem.

Die Künstlerin wandelt auf unbegangenen Pfaden und hält fotografisch fest, was ihr Auge fesselt. Die Fotografie dient ihr im Atelier als Vorlage für einen langsamen und konzentrierten Arbeitsprozess. Es ist die Arbeit am formalen Detail, wie einem abgebrochenen Geäst, die Mayrhofer intensiv beschäftigt. Diese Herausforderung einer langatmigen Arbeitskonzentration ist ihr sehr wichtig und ist Teil der Identität dieser Bildserie. Darum wirken diese Malereien auch als ein Zufluchtsort, spiegeln das Geschehen, Empfinden und die Arbeitsschritte von Mayrhofer wieder. Durch die Öltechnik kann dieser Arbeitsprozess auch zeitlich beliebig gedehnt werden.

„Mich fasziniert, das Unsichtbare sichtbar zu machen und die erlebte und empfundene Szenerie als ein grosses Ganzes wiederzugeben“, erläutert Mayrhofer. Im Wald erlebt sie tiefe Stille, Konzentration und Entschleunigung. Eine fast meditative Stimmung, die sich in der Spannung des jeweils sehr bewusst fotografisch festgehaltenen Waldstückes spiegelt. Es geht der Künstlerin um das Wunder der Natur, das Geheimnis, das sie umhüllt und die schöpferische Kraft die von ihr ausgeht. All das macht die Spaziergänge im Wald zu mehr als nur einer Anregung für ihre grossformatigen Bilder: Es ist ihr Lebenselixier, aus dem sie Kraft und Zuversicht schöpft. Mayrhofer selber wohnt und arbeitet unweit eines Naturschutzgebiets, wo der Böhmische Wald seit über sechzig Jahren sich selber überlassen wird. Hier tritt das Unberührte, die Natur als alleinige Gestaltkraft zum Vorschein. Und hier findet die Künstlerin ihre Bildausschnitte. Aus derselben Gegend stammte auch der von ihr geschätzte Schriftsteller Adalbert Stifter (1805 Oberplan, Böhmen -1868 Linz, k.u.k. Monarchie), der sich für den Roman „Hochwald“ von ebendieser Waldlandschaft anregen liess. Es ist die Kraft der Bildausschnitte und die hochkonzentrierte langatmige Umsetzung durch Mayrhofer, die den Bildern der Waldserie jenen Sog verleiht, dem sich der Betrachter kaum zu entziehen vermag und der einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Nana Pernod, Zürich